5.4. Allgemeine Empfehlungen zur Stimmführung

1 Eine ästhetisch und handwerklich anspruchsvoller Tonsatz erfordert:

2 Darum ist anzustreben

1. bei der Disposition eines Akkordes:

2. bei der Verbindung zweier Akkorde:

3 Das Einhalten aller Empfehlungen ist nicht immer möglich. In diesem Fall sollte sorgfältig abgewogen werden, welche Empfehlung für den beabsichtigten Zweck wichtiger ist. Ein bewusster Verstoß gegen die Empfehlungen muss eine höhere Rechtfertigung besitzen (z.B. gewollte Klangwirkung, Umsetzung einer bestimmten harmonischen Progression o.ä.).

4 Spätestens im harmonischen Zusammenhang erhält jeder Akkordton im Verhältnis zum folgenden Akkord ein gewisses Maß an Strebigkeit.

In allen dissonanten Akkorden haben die Akkordtöne bereits diese Eigenschaft. So ist z.B. die Terz eines D7 immer Strebeton, während die Terz eines Dur-Dreiklangs nur dann Strebeton ist, wenn er dominantische Funktion hat.

Zu unterschieden sind Strebeton und Ruheton.

Ein Strebeton (S) ruft wegen der tonalen oder akkordeigenen Spannung das Bedürfnis nach Weiterführung auf- oder abwärts in einen bestimmten Ton hervor (= Auflösung). Strebetöne kommen nur in Dominanten und Subdominanten vor.

Die Auflösung erfolgt meist im kleinen Sekundschritt (aufwärts immer, abwärts auch große Sekunde möglich). Natürliche Strebetöne sind Bestandteil des jeweiligen zugrunde liegenden Akkordtyps (akkordeigene Töne). Künstliche Strebetöne entstehen durch chromatische Veränderung von akkordeigenen Tönen (Alteration).

Strebetöne lassen sich einteilen in:

Ein Ruheton (R) ist in der Stimmführung ungebunden, er kann steigen, fallen oder liegen bleiben, schreiten oder springen.

Ruhetöne lassen sich einteilen in:

5 Bei Akkordverbindungen haben sich bestimmte Stimmführungen herausgebildet, die die Strebigkeit berücksichtigen und als Normalfall gelten. Diese Stimmführungen heißen regulär.

Strebetöne werden regulär entsprechend der angestrebten Richtung im kleinen diatonischen Schritt in einen Ton des Zielakkordes aufgelöst oder bleiben liegen.

Ruhetöne haben mehrere reguläre Stimmführungen. Regulär wird einer der nächstliegenden Töne des Zielakkordes in einem diatonischen Intervall oder der Ruheton bleiben liegen (Ligatur).

Die regulären Stimmführungen entstammen zumeist den Klausel-Bildungen der Vokal-Polyphonie.

Abweichung von der regulären Stimmführung lässt diese irregulär werden.

Strebetöne werden irregulär mit diatonischem Schritt oder Sprung in entgegengesetzter Richtung zum nächstliegenden Ton des Zielakkordes geführt.

Ruhetöne werden irregulär in diatonischen Sprüngen über die nächstliegenden Töne des Zielakkordes geführt.

Alle weiteren Stimmführungsmöglichkeiten gelten als außergewöhnlich. Der Zielton ist meist eine Akkorderweiterung oder Alteration.

Insbesondere enharmonische Ligatur, Führung in chromatischen Intervallen (v.a. Hiatus = übermäßige Sekunde oder verminderte Terz) und Rückalteration gelten als außergewöhnlich.

Regulär löst sich ein Strebeton in einen Ruheton auf:

    S – R

Irregulär kann ein weiterer Strebeton (auch als Ligatur) folgen, der dann regulär aufgelöst wird:

    S – S – R

Außergewöhnlich ist die irreguläre Auflösung dieses Strebetons:

   S – S – S

Auf einen Ruheton kann sowohl ein Ruheton, als auch ein Strebeton folgen.

   R – R    oder    R – S

 

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