2. Akkorde

2.1. Definitionen

2.1.1. Tonleiter - Tonart

1 Harmonisches Geschehen bedarf eines geordneten Tonvorrats aus der Gesamtheit der zwölf (chromatisch-enharmonischen) Tonorte der gleichschwebenden Temperatur.

2 Als über Jahrhunderte beständig erwiesen haben sich dabei Konstellationen aus sieben Tönen, die - der Höhe nach angeordnet - als heptatonische (siebentönige) Tonleiter (Skala) dargestellt werden.

Anfangston einer Tonleiter ist der Ton, der als Grundton verstanden wird. Auf diesen Grundton werden alle anderen sechs Skalentöne bezogen.

Dieser angenommene Grundton muss nicht der reale (akustische) Grundton sein. Jede Skala hat einen oder mehrere reale Grundtöne. In den folgenden Darstellungen der Tonleitern ist dieser mit geschossenem Notenkopf notiert, ein eventuell vorhandener Nebengrundton mit dreieckigem Notenkopf.

3 Der Tonvorrat der mehrstimmigen Musik des Mittelalters und der Renaissance waren die modalen Skalen (Modi, Kirchentonarten). Zunächst wurden vier (Dorisch, Phrygisch, Lydisch, Mixolydisch) verwendet, später kamen Aeolisch (entspricht natürlichem Moll) und Ionisch (entspricht Dur) hinzu.

Unter Modus wurden zunächst typische melodische Floskeln verstanden, die bestimmten Tonleitern zugeordnet werden konnten. Der Bergriff Kirchentonart täuscht über die Tatsache hinweg, dass die modalen Skalen auch in der weltlichen Musik des Mittelalters und der Renaissance den standardisierten Tonvorrat darstellten.

Diese sechs modalen Skalen sind diatonisch, d.h. ihre Skalen bestehen aus jeweils einer für sie typische Reihenfolge von kleinen und großen Schritten (Halb- bzw. Ganztonschritt).

Die Halbtonschritte sind in den Beispielen durch doppelseitige Pfeile gekennzeichnet.

4 Der untere Ton eines kleinen Schrittes heißt Leitton (L), der obere Gleitton (G).

5 Eine heptatonische Skala lässt sich in zwei Tetrachorde (eigentlich „Viersaiter“, gemeint ist eine Folge von vier Skalentönen, beginnend mit dem Grundton, bzw. dem 5. Skalenton) einteilen. Es gibt verschiedene Tetrachordtypen; jede Tonleiter hat eine ihr eigene Kombination zweier Tetrachorde, deren Anfangstöne im Abstand einer reinen Quinte stehen.

Bsp. 2.1.1.-1: Tetrachordtypen: (a) dur - (b) moll - (c) phrygisch - (d) lydisch - (e) harmonisch

Tetrachordtypen


Die ansonsten nicht übliche und einheitliche Benennung der Tetrachorde erfolgt hier nach den Tonleitern, in denen sie besonders auffällig in Erscheinung treten. „Harmonisch“ bezieht sich auf den oberen Tetrachord des harmonischen Moll.

6 Im Vergleich zu den für die dur-moll-tonale Musik bedeutsamen Tonleitern Dur und Moll, lassen sich die modalen Skalen in mollähnliche (mit tiefer 3) und durähnliche (mit hoher 3) einteilen.

Dorisch ist mollähnlich. Der Unterschied zum natürlichen Moll besteht in der hohen 6 („dorische Sexte“). Im Dorischen ist 7 nicht Leitton.
Repercussa: 5. Tetrachorde: moll-moll

 Bsp. 2.1.1.-2: Dorisch

dorisch


Phrygisch ist mollähnlich. Der Unterschied zum natürlichen Moll besteht in der tiefen 2 („phrygische Sekunde“). Im Phrygischen ist 7 nicht Leitton.
Repercussa: 6. Tetrachorde: phrygisch-phrygisch

Bsp. 2.1.1.-3: Phrygisch

phrygisch


Lydisch ist durähnlich. Der Unterschied zu Dur besteht in der hohen 4 („lydische Quarte“). Im Lydischen ist 7 Leitton (subsemitonium).
Repercussa: 5. Tetrachorde: lydisch-dur

Bsp. 2.1.1.-4: Lydisch

lydisch


Mixolydisch ist durähnlich. Der Unterschied zu Dur besteht in der tiefen 7 („mixolydische Septime“). Im Mixolydischen ist 7 nicht Leitton.
Repercussa: 5. Tetrachorde: dur-moll

Bsp. 2.1.1.-5: Mixolydisch

mixolydisch


Aeolisch entspricht dem heutigen natürlichen Moll. Im Aeolischen ist 7 nicht Leitton.
Repercussa: 5. Tetrachorde: moll-phrygisch

Bsp. 2.1.1.6: Aeolisch (natürliches Moll)

aeolisch


Ionisch entspricht dem heutigen Dur. Im Ionischen ist 7 Leitton (subsemitonium).
Repercussa: 5. Tetrachorde: dur-dur

Die Verhältnisse bei Ionisch haben die Durchsetzung als wichtigste Tonleiter in der Folgezeit begünstigt: Der angenommene Grundton ist mit dem realen Grundton identisch. Die 7 ist Leitton zur Finalis; die beiden Tetrachorde sind identisch.

Bsp. 2.1.1.-7: Ionisch (Dur)

ionisch


7 Einzelne Töne der modalen Skalen wurden im Laufe der Zeit abgewandelt. Dadurch wurden einerseits einige Modi (melodisch) an Ionisch angeglichen, andererseits entstanden Skalen, die bei der sich entwickelnden Mehrstimmigkeit harmonisch profilierter sind. Beides führte zur Etablierung der dur-moll-tonalen Skalen.

Aus melodischen Gründen schon recht früh wurde die 7 in den Skalen ohne subsemitonium erhöht, um den Leitton zur Finalis zu erhalten:

Im Lydischen wurde bei melodischer Abwärtsbewegung die 4 erniedrigt:

Das harmonische Moll hat einen Leitton zum Grundton, was aus harmonischen Gründen wünschenswert ist (er ermöglicht einen [dominantischen] Dur-Dreiklang auf der 5). Dies ist allerdings melodisch von Nachteil, da zwischen 6 und 7 ein Hiatus (übermäßiger Schritt) entsteht.

Dieses Problem wurde bei der Melodiebildung umgangen, indem sich eine aufsteigende Melodie nur bis zur 6 bewegte und dort umkehrte. Die 7 konnte stufenweise nur über den Grundton oder sprungweise erreicht werden. Dies erklärt die typischen Melodiemodelle des Generalbasszeitalters.

Tetrachorde: moll-harmonisch

Bsp. 2.1.1.-8: harmonisches Moll

harmonisches Moll


Im melodischen Moll wird der Hiatus zwischen 6 und 7 durch die hohe (dorische) Sexte eliminiert. Der Unterschied zu Dur besteht nur noch in der niedrigen 3 (Moll-Terz). 7 ist Leitton zum Grundton.
Tetrachorde: moll-dur

Bsp. 2.1.1.-9: melodisches Moll

melodisches Moll


Molldur (harmonisches Dur) ist ein Konstrukt des 19. Jahrhunderts, dem der Gedanke zu Grunde liegt, Merkmale von Moll in Dur einfließen zu lassen (tiefe 6 = 3 der Mollsubdominante). Der Unterschied zum harmonischen Moll besteht lediglich in der hohen 3 (Dur-Terz). 7 ist Leitton.
Tetrachorde: dur-harmonisch

Bsp. 2.1.1.-10: Molldur

Molldur


Die Akustische Skala stellt (angenähert durch die gleichschwebende Temperatur) einen Ausschnitt der Partialtonreihe dar (8. bis 14. Partialton), ist durähnlich und wirkt modal durch die Nähe zu Lydisch und Mixolydisch. 7 ist nicht Leitton. Tetrachorde: lydisch-moll

Bsp. 2.1.1.-11: akustische Skala

akustische Skala


8 Jeder der zwölf Tonorte kann Grundton einer Tonleiter sein. Dazu müssen die übrigen Skalentöne transponiert werden, so dass die Tonleiter in ihrer Ganzton-Halbton-Struktur erhalten bleibt. Auf diese Weise kann eine Tonleiter in verschiedenen Tonarten erscheinen. Die Benennung erfolgt mit ihrem Grundton und der Art der Tonleiter.

z.B. F-Dur, g-Moll, e-Dorisch, c-Phrygisch, D-Lydisch, A-Mixolydisch, H-Molldur

Alle Beispiele in dieser Darstellung sind zwecks besserer Vergleichbarkeit auf den Grundton C bezogen.

2.1.2. Stufe

1 Die Tonleitertöne heißen Stufen, werden mit dem Grundton beginnend aufwärts gezählt und mit arabischen Zahlen bezeichnet.

In dieser Darstellung sind die Tonleiterstufen mit kursiven arabischen Zahlen gesetzt.

2 Die 1, 4 und 5 in diatonischen Skalen sind Hauptstufen und haben besondere Bezeichnungen:

1: Tonika (T)4: Subdominante (S)5: Dominante (D)

Andere Bezeichnungen für Subdominante und Dominante: „Unterdominante“ bzw. „Oberdominante“.
„Subdominante“ bedeutet: unterhalb („sub“) der Dominante liegende Stufe und nicht „Quinte unter der Tonika“.

3 Die übrigen Stufen sind Nebenstufen.

4 In den Skalen, in denen die 7 einen Halbton unter dem Grundton liegt (wie bei Dur und harmonischem Moll), trägt diese die Bezeichnung Leitton (subsemitonium modi).

Die 3 wird Mediante (auch Obermediante, weil zwischen 1 und 5 liegend) und die 6 Untermediante (liegt zwischen 4 und 8 [1]) genannt. Daneben existierte für die 2 die Bezeichnung Supertonika (die Stufe über der 1, analog zur 4, der Stufe unter der 5).

5 Die leitereigenen Dreiklänge auf den Stufen tragen dieselbe Nummer wie die Stufen auf denen sie stehen und werden mit römischen Zahlen bezeichnet.

2.1.3. Akkord

1 Ein Akkord ist ein Gebilde aus mindesten drei verschiedenen Tönen, die gleichzeitig erklingen.

Drei verschiedene Töne bilden einen Dreiklang, vier verschiedene Töne einen Vierklang etc. Mit Mehrklänge sind zusammenfassend alle Akkorde mit vier oder mehr Tönen gemeint. Es ist also nicht maßgeblich wie viele Töne insgesamt in einem Akkord erklingen, sondern nur wie viele verschiedene. Die maximale Zahl ist also beim Zwölfklang gegeben. Erklingen lediglich zwei verschiedene Töne, so bilden diese ein Intervall.

Erklingen die Töne eines Akkordes nacheinander (etwa bei einer Melodie oder Begleitfiguration), wird dies gebrochener Akkord genannt.

2 In jeder musikgeschichtlichen Epoche wurden Akkorde nach bestimmten Prinzipien gebildet. Für die europäisch-westliche Musik seit der Zeit, in der bewusst Zusammenklänge komponiert wurden (ca. 15. Jh.), ist dies das Prinzip der Terzschichtung, bei dem über einem Ausgangston die nach der Höhe folgenden Töne jeweils im Terzabstand zum tiefer liegenden stehen.

Im 20. Jahrhundert wurde mit anderen Prinzipien des Akkordaufbaus experimentiert, z.B. mit Quarten (Quartenakkorde → 14.1.) und Sekunden (Cluster = Tontraube, abgeleitet vom Notenbild).

Zur Unterscheidung der Begriffe Akkord und Harmonie: Harmonik ist im Wesentlichen die bewusst gesteuerte und erlebte Abfolge unterschiedlich gespannter Akkorde und ihres Verhältnisses zur Tonalität.

2.1.4. Grundton

1 Jeder Akkord hat mindestens einen realen Grundton (akustischer Grundton). Darunter ist der akustisch auffälligste Ton zu verstehen, der sich aus den Intervallverhältnissen innerhalb des Akkordes ergibt.

Es gibt Akkorde mit mehreren (gleichwertigen) Grundtönen (z.B. übermäßiger Dreiklang). Daneben existieren Akkorde, die über Nebengrundtöne verfügen.

Bsp. 2.1.4.-1: (a) ein realer Grundton
(b) drei reale Grundtöne
(c) realer Grundton und Nebengrundton

reale Grundtöne


2 Jeder Akkord hat genau einen nominellen Grundton (Akkord-Grundton). Dabei handelt es sich um den Ton, auf dem der Akkord aufgebaut ist, also der unterste Ton des Akkordes in Terzschichtung.

Es handelt sich um den Ton, der in der Stufentheorie als Akkord-Grundton angesehen wird, also die Tonleiterstufe, auf der der Akkord errichtet ist.

Sind realer Grundton und nomineller Grundton identisch, ist das Grundtonverhältnis kongruent, im anderen Falle inkongruent.

Bsp. 2.1.4.-2: (a) kongruentes und (b) inkongruentes Grundtonverhältnis

Grundtonverhältnis


3 Der ideelle Grundton (Funktionsgrundton) ist der Ton, auf den die übrigen Akkordtöne funktional bezogen werden. Er kann Bestandteil des Akkordes sein (reeller Funktionsgrundton) oder aber fehlen (virtueller Funktionsgrundton, z.B. bei verkürzten Akkorden).

Sind realer Grundton und reeller Funktionsgrundton identisch, handelt es sich um einen idealen Grundton, im anderen Falle um einen imaginären Grundton. Ein virtueller Grundton kann nie idealer Grundton sein, da er im Akkord nicht vorkommt.

Bsp. 2.1.4.-3: (a) reeller und (b) virtueller Funktionsgrundton
(c) imaginärer und (d) idealer Grundton

Grundtonarten


2.1.5. Funktion

1 I, IV und V sind Hauptfunktionen (Hauptdreiklänge) und werden ebenfalls Tonika, Subdominante und Dominante genannt.

Genauer sind Bezeichnungen wie „Tonika-Dreiklang“, „Dreiklang auf der Tonika“ oder „Dreiklang der Tonika“, doch hat sich die Kurzform, in diesem Falle „Tonika“, durchgesetzt.

2 Die beiden Dominanten sind jeweils quintverwandt mit der Tonika. Untereinander sind sie sekundverwandt (doppelquintverwandt).

Bsp. 2.1.5.-1: Quintverwandtschaft

Quintverwandtschaft


Quintverwandt: die Grundtöne zweier Akkorde haben den Abstand einer Quinte.
Sekundverwandt: die Grundtöne zweier Akkorde haben den Abstand zweier Quinten (zwei Quinten übereinander ergeben eine None, das entspricht, abzüglich einer Oktave, einer Sekunde).

3 Dur- und Moll-Dreiklänge, die nicht Hauptfunktionen sind, heißen Nebenfunktionen (Nebendreiklänge). Nebenfunktionen sind terzverwandt mit einer Hauptfunktion oder zwei Hauptfunktionen.

Stehen die Grundtöne zweier Dreiklänge oder Tonarten im Terzabstand, so sind sie terzverwandt. (→ 11. Terzverwandtschaft)
Bei Kleinterzverwandtschaft handelt es sich um das Verhältnis der Parallele, bei Großterzverwandtschaft um das Verhältnis des Gegenklangs (eigentlich „Gegenparallelklang“, auch „Leittonwechselklang“)

Alle anderen Dreiklangstypen (z.B. verminderte und übermäßige) Dreiklänge sind besondere Formen von Subdominante und Dominante.

4 Welche Funktion ein Akkord hat, ist nicht allein durch die Tonart, in der er vorkommt, festgelegt. Sie kann sich je nach dem Kontext, in dem er steht, ändern.

Auch ein Hauptdreiklang hat daher nicht immer die ihm von vornherein zugeschriebene Hauptfunktion. Die Funktion eines Nebendreiklangs, der mit zwei Hauptdreiklängen terzverwandt sein kann, ist nur aus dem Zusammenhang erklärbar. So ist z.B. die VI in Dur nicht immer Tonikaparallele (Tp), sondern kann auch als Subdominantgegenklang (Sg) funktionieren.

2.2. Dreiklänge

1 Für die dur-moll-tonale Musik sind vier Arten von Dreiklängen von besonderer Bedeutung, da sie als leitereigene Dreiklänge in Dur und Moll vorkommen:

Dur-Dreiklang, Moll-Dreiklang, verminderter Dreiklang und übermäßiger Dreiklang

Dur-moll-tonale Musik: Musik, deren Tonvorrat aus der Dur- bzw. Moll-Tonleiter stammt
Im Folgenden ist mit „Moll“ immer das harmonische Moll gemeint. Andere Moll-Varianten, die in erster Linie für die melodische Entwicklung eine Rolle spielen, werden ausdrücklich bezeichnet.

2 Die Dreiklänge der dur-moll-tonalen Harmonik bestehen aus zwei übereinander geschichteten Terzen.

Dur- und Moll-Dreiklang bestehen aus den Dreiklangstönen Grundton, Terz und Quinte. Als Rahmenintervall ergibt das eine reine Quinte.

Der in enger Lage unterste Ton heißt Grundton, weil über ihm eine reine Quinte erklingt. Dies verursacht die Grundtonwirkung. Die beiden anderen Töne (Terz, Quinte) haben ihren Namen von dem Intervall erhalten, das zwischen ihnen und dem Grundton besteht.
Ein Akkord mit Grundton im Bass befindet sich in Grundstellung (Grundlage, der Akkord ist grundstellig).

Als Rahmenintervall wird der Abstand zwischen tiefstem und höchsten Akkordton in der Grundstellung bezeichnet.

3 Dur- und Moll-Dreiklang sind die einzigen konsonanten Akkorde.

In konsonanten Akkorden kommen ausschließlich konsonante Intervalle vor. Da diese keine Weiterführungstendenz („Auflösungsbedürfnis“) haben, trifft das auch auf die beiden konsonanten Akkorde zu. Im harmonischen Kontext kann ein konsonanten Dreiklang gleichwohl angespannt wirken und auflösungsbedürftig sein, obwohl er für sich selbst betrachtet konsonant ist. Dieses Phänomen wird als Scheinkonsonanz bezeichnet.

Die dissonanten Intervalle, die in dissonanten Akkorden vorkommen, bedingen die Spannung, die eine Weiterführung („Auflösung“) in weniger dissonierende oder in konsonierende Akkorde wünschenswert erscheinen lassen.

4 Die Namen und Bedeutungen bleiben den Tönen erhalten, auch wenn der wirkliche Abstand bei der Verteilung auf die Stimmen, ein anderer ist:

Bsp.2.2.-1: Akkordtöne behalten ihre Bedeutung unabhängig von der Stimme, in der sie erscheinen

Bedeutung der Akkordtöne


2.2.1. leitereigene Dreiklangstypen

2.2.1.1. Dur-Dreiklang

1 Der Dur-Dreiklang (Kürzel: d) besteht aus großer Terz („Dur-Terz“) über dem Grundton und darüber liegend einer kleinen Terz.
Intervallschichtung: + –
Rahmenintervall: (reine) Quinte
Realer Grundton: Akkord-1
Klangwert: 5

Bsp. 2.2.1.1.-1: Dur-Dreiklang

Dur-Dreiklang


Der Dur-Dreiklang kommt in der Partialtonreihe vor als 4., 5. und 6. Partialton (Dur-Dreiklang in Grundstellung).

2 Verdopplungsfähig sind alle drei Akkordtöne, die Terz allerdings nur, wenn sie nicht Leitton (also z.B. D3) ist.

3 Der Dur-Dreiklang kommt als leitereigener Dreiklang vor:

leitereigen in/als

I

II

III

IV

V

VI

VII

Dur

T

 

 

S

D

 

 

Moll harmonisch

 

 

 

 

D

tG / sP

 

Moll natürlich

 

 

tP / dG / (D)tG

 

 

tG / sP

dP / 2.S / (D)tP

Moll melodisch

 

 

 

S

D

 

 

Der Dur-Dreiklang hat in allen diesen Funktionen einen idealen Grundton.

4 Der Dur-Dreiklang kommt in subdominantischer Funktion vor auf der tiefalterierten 2 im harmonischen und natürlichen Moll (nicht leitereigen!). Er funktioniert als

5 Der Dur-Dreiklang entspricht enharmonisch verwechselt einem moll-übermäßigen Dreiklang (Bsp. 2.2.1.1.-2a; → 2.2.3.4.) oder einem dreifach übermäßigen Dreiklang (Bsp. 2.2.1.1.-2b; → 2.2.3.9.).

Bsp. 2.2.1.1.-2: Dur-Dreiklang enharmonische verwechselt als
(a) moll-übermäßiger Dreiklang
(b) dreifach übermäßiger Dreiklang

Dur-Dreiklang enharmonisch


2.2.1.2. Moll-Dreiklang

1 Der Moll-Dreiklang (Kürzel: m) besteht aus kleiner Terz („Moll-Terz“) über dem Grundton und darüber liegend einer große Terz.
Intervallschichtung: – +
Rahmenintervall: (reine) Quinte
Realer Grundton: Akkord-1
Klangwert: 5

Bsp. 2.2.1.2.-1: Moll-Dreiklang

Moll-Dreiklang


2 Verdopplungsfähig sind alle drei Akkordtöne, die Terz allerdings nur, wenn sie nicht Gleitton (also z.B. s3) ist.

3 Der Moll-Dreiklang kommt als leitereigener Dreiklang vor:

leitereigen in/als

I

II

III

IV

V

VI

VII

Dur

 

Sp/S6

Dp / Tg / D6

 

 

Tp / Sg

 

Moll harmonisch

 

 

 

 

 

Moll natürlich

t

 

 

s

d / 2.S6 / (D6)tP

 

 

Moll melodisch

t

Sp/S6

 

 

 

 

 

4 Der Moll-Dreiklang entspricht enharmonisch verwechselt einem dur-übermäßigen Dreiklang (Bsp. 2.2.1.2.-2a; → 2.2.3.5.) oder einem doppelt übermäßigem Dreiklang (Bsp. 2.2.1.2.-2b; → 2.2.3.8.) oder einem übermäßigen Sekund-Terz-Vorhaltakkord (Bsp. 2.2.1.2.-2c; → 9.2.1.1.).

Bsp. 2.2.1.2.-2: Moll-Dreiklang enharmonisch verwechselt als
(a) dur-übermäßiger Dreiklang - (b) doppelt übermäßiger Dreiklang
(c) übermäßiger Sekund-Terz-Vorhaltakkord

Moll-Dreiklang enharmonisch


2.2.1.3. verminderter Dreiklang

1 Der verminderte Dreiklang (Kürzel: v) besteht aus zwei übereinander geschichteten kleinen Terzen. Intervallschichtung: – –
Rahmenintervall: verminderte Quinte (daher die Bezeichnung)
Realer Grundton: Akkord-5, Nebengrundton: Akkord-3.
Ideeller Grundton in dominantischer Funktion ist die 3+ unter dem Akkord-1 (virtuell), in subdominantischer Funktion die Akkord-3 (reell).
Klangwert: 7

Bsp. 2.2.1.3.-1: verminderter Dreiklang

verminderter Dreiklang


Ein verminderte Dreiklang kann auch durch die chromatische Erniedrigung (Tiefalteration) der Quinte eines Moll-Dreiklangs oder die chromatische Erhöhung (Hochalteration) des Grundtones eines Dur-Dreiklangs entstehen. Damit einher geht ein Funktionswechsel: durch Alteration entstandenen verminderte Dreiklänge haben (sub)dominantische Funktion ([Sub-]Dominantisierung).

2 Der Ton auf dem der verminderte Dreiklang aufgebaut ist, wirkt nicht als Grundton, da über ihm keine reine Quinte erklingt.

Er wird in der Funktionstheorie meist erklärt als Dominantseptakkord mit weggelassenem Grundton (verkürzter Dominantseptakkord, D7), so dass die Dreiklangstöne als Terz, Quinte und Septime fungieren (und auch so heißen).

Der verminderte Dreiklang kann auch die Bedeutung einer Subdominante (s6, „klein S sechs“, mollsubdominantischer Sextakkord“) annehmen. Dann heißen die Akkordtöne von unten nach oben: Sexte, Grundton, Terz.

3 Verdopplungsfähig sind in dominantischer Funktion Akkord-3 (=D5) und Akkord-5 (=D7), in subdominantischer Funktion nur Akkord-3 (=S1).

4 Der verminderte Dreiklang kommt als leitereigener Dreiklang vor:

leitereigen in/als

I

II

III

IV

V

VI

VII

Dur

 

 

 

 

 

 

D7

Moll harmonisch

 

s6 / (D7)tP

 

 

 

 

D7

Moll natürlich

 

s6 / (D7)tP

 

 

 

 

 

Moll melodisch

 

 

 

 

 

(D7)dP / (s6)D

D7

2.2.1.4. übermäßiger Dreiklang

1 Der übermäßige Dreiklang (Kürzel: ü) besteht aus zwei übereinander geschichteten großen Terzen. Intervallschichtung: + +
Rahmenintervall: übermäßige Quinte (daher die Bezeichnung).
Alle drei Töne sind reale Grundtöne. Jeder Akkordton kann ideeller Grundton sein.
Klangwert: 6

Bsp. 2.2.1.4.-1: übermäßiger Dreiklang

übermäßiger Dreiklang


Ein übermäßiger Dreiklang kann durch die chromatische Erhöhung (Hochalteration) der Quinte eines Dur-Dreiklangs oder die chromatische Erniedrigung (Tiefalteration) des Grundtones eines Moll-Dreiklangs entstehen. Damit einher geht eine Funktionswechsel: durch Alteration entstandene übermäßige Dreiklänge haben dominantische Funktion (Dominantisierung).

2 Da sich über dem Ton, auf dem sich der übermäßige Dreiklang aufbaut, keine reine Quinte steht, wirkt dieser nicht als Grundton. In der Funktionstheorie wird der übermäßige Dreiklang entweder (in Dur) als Dominante mit hoch alterierter Quinte (D5<), oder (in Moll) als Dominante mit kleiner Sexte anstelle der Quinte (D6-) angesehen.

Denkbar ist der übermäßige Dreiklang auch als

Bsp. 2.2.1.4.-2: übermäßiger Dreiklang als Dominante, Doppeldominante und Subdominante


Bsp. 2.2.1.4.-2: In diesem Ausschnitt aus der Bagatelle op.119, 8 von Ludwig van Beethoven erscheinen nacheinander Dominante, Doppeldominante und Subdominante mit hochalterierter Quinte und Terzbass. Bemerkenswert ist die hochalterierte Terz der S (bais), die künstlicher Leitton zur D3 ist.

3 Verdopplungsfähig ist bei D5< der Akkord-1 (=D1), bei D6- die Akkord-3 (=D1)

4 Der übermäßige Dreiklang kommt als leitereigener Dreiklang vor:

leitereigen in/als

I

II

III

IV

V

VI

VII

Dur

 

 

 

 

 

 

 

Moll harmonisch

 

 

D6- / (D5<)tG

 

 

 

 

Moll natürlich

 

 

 

 

 

 

 

Moll melodisch

 

 

D6 / (D5<)tG

 

 

 

 

5 Da dieser Akkord symmetrisch ist (der Abstand aller benachbarten Töne ist gleich, nämlich eine große Terz), lässt sich jeder der drei Dreiklangstöne als D1 definieren und die beiden anderen als D3 (Leitton), bzw. D5<. Lediglich bei der Notation ist darauf zu achten, dass die Schreibweise diesen Intervallverhältnissen entspricht (enharmonische Verwechslung). Dementsprechend werden die Dreiklangstöne „Grundton“, „Terz“ und „(hoch alterierte) Quinte“ genannt.

Bsp. 2.2.1.4.-3: übermäßiger Dreiklang als Dominante von
(a) F-Dur/a-Moll - (b) Des-Dur/f-Moll - (c) A-Dur/cis-Moll

übermäßiger Dreiklang enharmonisch


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